Erfolgreiche Co-Creation: Wie können ein KI-Spezialist und ein Pharmakonzern gemeinsam Innovation vorantreiben?
Erfolgsfaktoren für eine Kooperation am Beispiel der vollautomatisierten Containerkontrolle
Eine vollautomatisierte Containerkontrollstation war am Produktionsstandort Freiburg schon lange eine Idee zur Prozessoptimierung – jetzt rückt der „Artificial Intelligence Container Check” in greifbare Nähe: Nach dem erfolgreichen Abschluss der Machbarkeitsstudie arbeitet das Projektteam, das sich aus Mitarbeiter:innen des Healthcare Hubs und einer Fachabteilung zusammensetzt, am Proof of Concept. Ziel des Projekts ist es, die Sichtkontrolle gereinigter Bulk- und Schüttgutcontainer durch eine vollautomatisierte Kontrolle zu ersetzen. Hierzu kooperiert Pfizer mit den AI-Experten von Data Spree. „Durch die Kooperation implementieren wir nicht nur fortschrittliche KI-Lösungen, sondern auch eine Kultur der kontinuierlichen Innovation, die damit neue Maßstäbe für automatisierte Inspektionsprozesse setzt“, so Leonard Brix, Gründer von Data Spree.
Wie läuft ein solches Kooperationsprojekt ab? Und was sind die Erfolgsfaktoren einer Kooperation zwischen einem KI-Unternehmen und einem etablierten Pharmakonzern?
Prozessoptimierungen durch digitale Technologien stehen im Pfizer Werk Freiburg als einem der weltweit modernsten Produktionsstätten der pharmazeutischen Industrie auf der Tagesordnung. Der Pfizer Healthcare Hub unterstützt die Fachabteilungen dabei – so auch beim Artificial Intelligence Container Check.
Die Aufgabenstellung
Im Pfizer Produktionswerk in Freiburg sind vier unterschiedliche Containertypen für Pulver, Granulate und Substrate im Einsatz, die regelmäßig gereinigt werden müssen. Da die Einhaltung der Good-Manufacturing-Practice-Richtlinien (GMP-Richtlinien) und der hohen Reinheitsanforderungen höchste Priorität hat, werden dazu hocheffektive Waschanlagen genutzt. Zusätzlich wird das Reinigungsergebnis von Pharmatechniker:innen kontrolliert – dieser Schritt soll jetzt durch eine vollautomatisierte Kontrolle mithilfe von künstlicher Intelligenz ersetzt werden..
Erfolgsfaktor 1: Mut zum (kalkulierten) Risiko
„Wir wussten, dass die Aufgabenstellung mithilfe einfacher Sensoren und Kameras nicht zu lösen war. Ob wir die komplexen Herausforderungen überhaupt in den Griff bekommen können, war zu Beginn des Projekts noch unklar”, so Marko Petrovic, Projektkoordinator im Healthcare Hub. Das Projektteam entschied sich dennoch für den Invest in Zeit und Kosten, um zu beleuchten, ob sich ein Artificial Intelligence Container Check am Produktionsstandort Freiburg umsetzen lässt.
Erfolgsfaktor 2: Flexibilität für die Rahmenbedingungen bei Pfizer
Für die Umsetzung suchte das Projektteam nach geeigneten Kooperationspartner:innen. Das wichtigste Kriterium bei der Auswahl sei die Bereitschaft, sich flexibel auf die gegebenen Rahmenbedingungen einzulassen. Zudem sei GMP-Erfahrung von Vorteil, so Dr. Hans Zebner, Projektingenieur Innovation im Healthcare Hub.
Durch die gute Vernetzung des Pfizer Healthcare Hubs Freiburg innerhalb diverser Innovations-Ökosysteme konnten mehrere Unternehmen für Bildverarbeitung identifiziert werden. Die Entscheidung des Projektteams von Pfizer fiel auf Data Spree, ein Unternehmen aus Berlin mit Expertise in Bildverarbeitung, AI und industrieller Automatisierung. „Das Team von Data Spree hatte bereits GMP-Erfahrung und suchte direkt nach Lösungen für die Herausforderungen vor Ort”, so Dr. Hans Zebner. Parallel zum Onboarding des Kooperationspartners definierte das Projektteam klare Anforderungen, Meilensteine und Ziele. Diese wurden in logische Projektschritte übersetzt, die dann zur Entscheidung für oder gegen den Rollout am Produktionsstandort Freiburg führen.
Machbar? Realisierbar? Rentabel? Projektschritte des Artificial Intelligence Container Check
Im ersten Teil des Proof of Concepts sollte im Rahmen einer Machbarkeitsstudie gezeigt werden, dass simulierte Verunreinigungen an der technisch anspruchsvollsten Geometrie des Granulatcontainers NB so ausgeleuchtet und fotografiert werden können, dass sie problemlos zu identifizieren sind.
Herausforderungen des Proof of Concept I: Komplexe Geometrien und Oberflächen
Die Geometrien der vier Bulk- und Granulatcontainertypen, die im Freiburger Produktionswerk eingesetzt werden, sind komplex: Teilweise verfügen sie nur über sehr kleine Öffnungen. Unterschiedliche Höhen sowie Unregelmäßigkeiten der Oberflächenstrukturen durch Beulen, Schleifspuren oder Schweißnähte im Innenraum erschweren eine automatisierte Erfassung. Zudem sind die Containerinnenräume nicht rotationssymmetrisch, sondern nur spiegelsymmetrisch. Und schließlich sind Verunreinigungen auf den spiegelnden Edelstahloberflächen nur schwer zu erkennen.
Die Experten von Data Spree setzten hierfür ein optisches Prüfsystem mit einer Kamera mit Liquid Lens Objektiv und einem Beleuchtungssystem mit verschiedenen Lichtquellen ein. Damit wurden die Innenräume der Container zunächst in sauberen Zustand, im Anschluss mit simulierten Verunreinigungen fotografiert. Als Verunreinigungen dienten Klebstoffflächen in unterschiedlichen Größen bis hin zu fast unsichtbaren Klebstofffäden.
Machbar!
Das Ergebnis: Die simulierten Abweichungen wurden optimal ausgeleuchtet, fotografiert und erkannt: Staubkörner, Klebstoffpunkte und Klebefäden unter 0,5 mm konnten identifiziert werden. Die Bildauflösung der Kamera übertraf dabei die Möglichkeiten des menschlichen Auges. Die Machbarkeitsstudie galt damit als erfolgreich abgeschlossen. „Wir bei Data Spree freuen uns über die gute Zusammenarbeit mit Pfizer und das große Engagement aller Beteiligten. Dieses Projekt ist ein Beweis dafür, wie gut es funktioniert, Spitzentechnologie mit Branchenkenntnissen zu verbinden, um höchste Qualitäts- und Effizienzstandards zu gewährleisten”, so Leonard Brix.
Realisierbar?
Im nächsten Schritt soll der Proof of Concept II für das KI-Tool im Innenraum und Außenbereich des Containers erbracht werden: Die künstliche Intelligenz wird mithilfe realer Verunreinigungen auf Fehlermerkmale trainiert und muss zeigen, dass sie in der Lage ist, diese zu identifizieren.
Rentabel?
Ist der Proof of Concept erbracht, erstellt die Fachabteilung einen detaillierten Projektplan und berechnet den Business Case. Auf dieser Grundlage wird dann die Entscheidung für oder gegen den Rollout im Freiburger Produktionswerk getroffen. „Wir würden uns freuen, dieses Projekt am Standort Freiburg zu realisieren. Nicht nur wegen der damit verbundenen Produktivitätserhöhung und des Einsparungspotenzials, sondern auch, weil eine vollautomatisierte Containerkontrolle im Pharmabereich eine echte Innovation darstellt”, so Rainer Gut, verantwortlicher Subject Matter Expert.
Erfolgsfaktor Co-Creation
Risikobereitschaft auf der einen Seite, Flexibilität auf der anderen Seite – beim Artificial Intelligence Container Check sind das die entscheidenden Faktoren, um das Potenzial innovativer Technologien in der industriellen Anwendung auszuschöpfen. Außerdem sind klar definierte Anforderungen an Aufgabenstellung, Ziel und Prozessschritte eine notwendige Kalkulations- und Arbeitsgrundlage für beide Seiten. Co-Creation als Modell, bei dem die beteiligten Partner ihre jeweiligen Stärken einbringen, wird damit selbst zum Erfolgsfaktor für die digitale Transformation von Produktionsprozessen – wir vom Pfizer Healthcare Hub freuen uns, dabei zu unterstützen!