Gamechanger von morgen

Wie der Einsatz von Quantencomputing die Gesundheitsbranche revolutionieren kann

Quantum System One

Durch den Einsatz von Quantencomputing entsteht für die Automobil-, Chemie-, Finanz- und Biowissenschaftsbranche bis zum Jahr 2035 ein mögliches Wertschöpfungspotenzial von bis zu 1,3 Billionen US-Dollar (1). Dem gegenüber steht die hohe Komplexität der Quantentechnologien sowie eine große Talentlücke: Die Nachfrage nach qualifizierten Expert:innen übersteigt die derzeit verfügbaren Fachkräfte deutlich. 

Bislang hat die Quantentechnologie allerdings nur wenige „Quick Wins“ vorzuweisen. Gleichzeitig zeigt sich, dass die Zwischentechnologie des sog. “Quantum Annealing (2)” einiges Potential mit sich bringt. Welche Möglichkeiten sieht man bei Pfizer durch den Einsatz dieser Zukunftstechnologien? Welche Rolle nimmt Pfizer als Innovationsführer ein und welche spielt Deutschland und speziell Baden-Württemberg in diesem Zusammenhang?  

Wir haben mit Thomas Kleine, Country Digital Lead bei Pfizer, Peter Neske, Innovation Lead des Pfizer Healthcare Hubs Freiburg und Dr. Hans Zebner, Innovationsingenieur, ebenfalls beim Pfizer Healthcare Hub, über die Potenziale von Quantencomputing für die Gesundheitsbranche und bei Pfizer gesprochen. 
 

Welche Möglichkeiten und Potentiale bietet Quantencomputing für die Gesundheitsbranche?  

Thomas Kleine: „Aus Pharmasicht liegt das größte Potential vermutlich im Bereich der Medikamentenforschung: ob zur Entwicklung neuer Hypothesen zu Krankheiten, zur Durchführung von Kausalitätsanalysen bzgl. Nebenwirkungen oder die Dosierungsoptimierung – für all diese Bereiche bietet die Quantentechnologie völlig neue Herangehensweisen. Aber beispielsweise auch der komplette Bereich IT-Security und Kryptografie wird in einigen Jahren durch Quantencomputing neu gedacht werden müssen, da insbesondere im Umfeld der Verschlüsselungstechnologien völlig neue Möglichkeiten entstehen werden.“ 

Welche Fragen und Herausforderungen bringt die Quantentechnologie aus eurer Perspektive mit sich?  

Dr. Hans Zebner: „Die Fragenstellungen der Quantentechnologie sind extrem mathematisch und statistisch und erfordern gleichzeitig Kenntnisse in der Quantenphysik. Die Frage ist: Wie können wir bestehende Algorithmen sowie Berechnungsverfahren und Modelle von der klassischen Von-Neumann-Architektur (3) in die Quantenarchitektur transformieren? Ein:e reine:r Mathematiker:in ist nicht unbedingt in der Lage, klassischen Code für Qubits zu transformieren. Das Thema ist hochkomplex und die Community, die sich derzeit damit befasst, noch sehr klein – auf Entscheider:innenebene braucht es ein starkes Commitment für das Thema. Unsere Aufgabe als Healthcare Hub ist es, die Pfizer-Fachabteilungen mit Expert:innen für Quantencomputing-Softwareengineering zusammenzubringen, Anforderungen zu moderieren und Prozesse zu begleiten.“ 

Thomas Kleine: „Heutzutage kommt man um den Hype um Generative AI nicht vorbei. Im Vergleich zu Quantencomputing ist Generative AI prädestinierter für Quick Wins und auch leichter vermittelbar bei Entscheider:innen – das birgt die Gefahr, dass Quantencomputing aus Unternehmenssicht an Relevanz und insbesondere Priorität verliert. Die Technologien stehen jedoch nicht in Konkurrenz zueinander, sondern ergänzen sich in den verschiedenen Anwendungsgebieten. KI findet Anwendung in Aufgaben wie Automatisierung, Datenanalyse und Textproduktion, während Quantencomputing die Hardwaretechnologie sowie Daten- und Informationsverarbeitung revolutioniert.” 

Hochkomplexes Thema, großes Potenzial – eine reale Wertschöpfung wird allerdings erst ab 2030 erwartet. Warum ist Quantencomputing für Pfizer aktuell dennoch so relevant? 

Zitat

Thomas Kleine: „Der Anspruch von Pfizer ist es, Innovationsführer zu sein – sowohl bei unseren Produkten als auch bei den Technologien, die wir zur Forschung, Entwicklung und Herstellung unserer Medikamente einsetzen.  

Eines unserer sogenannten Core Business Principles ist “Time is Life”: Hierauf zahlt Quantencomputing zu 100 Prozent ein. Mikael Dolsten, Globaler Leiter Pfizer Research & Development, hat es vor einiger Zeit mit seiner Aussage “Science will win and digital will help us to win faster” ziemlich genau auf den Punkt gebracht.  Ebenso wie auch schon bei neuen Technologien wie Generative AI oder dem Metaverse wollen wir mutig vorangehen und neue Möglichkeiten explorieren. Wir müssen permanent die Nase im Innovationswind haben, um unsere Mission “Breakthroughs that change patients lives.” zu erfüllen.“  

Zitat

 

Peter Neske: „Wir sind mehr als ein Medikamentenhersteller. Wir sehen uns als aktiven und engagierten Innovationspartner in einem ambitionierten Innovationsumfeld. Vor allem verstehen wir uns als Partner der Gesellschaft, der Wissenschaft, der Wirtschaft und der Politik und wollen hier unserer Verantwortung gerecht werden. Zum Beispiel unterstützen wir politische Maßnahmen wie beispielsweise QuantumBW, eine Initiative, die den Transfer quantentechnologischer Forschung in praktische Anwendungen fördert. Durch das Erforschen neuer Technologien können wir der Politik mit Insights aus der Praxis zu einer besseren Entscheidungsgrundlage verhelfen.“ 

Was passiert bei Pfizer in puncto Quantentechnologie aktuell? 

Thomas Kleine: „Bei Pfizer gibt es eine sogenannte Quantum Computer Exploration Group, also eine Art Kompetenz-Team, deren Ziel es ist, Pfizer zu einem führenden Unternehmen im Bereich Quantentechnologie in den nächsten Jahren zu entwickeln. Der Beginn echter Wertschöpfung durch Quantencomputing in der Pharmaindustrie wird frühestens ab 2030 erwartet. Jedoch werden nach einer BCG Studie (4) 10 Prozent der Firmen, die sich frühzeitig positionieren, 90 Prozent der Wertschöpfung von Quantencomputing erzielen können. Deshalb arbeiten wir heute schon an der Entwicklung einer Strategie und einer detaillierten Roadmap. Die Talententwicklung ist ein wichtiger Aspekt, bei dem wir bereits gut aufgestellt sind. Pfizer verfügt in der gesamten Organisation über wichtige Mitarbeitende mit „Quantenfähigkeiten", darunter Quantenchemiker:innen, Physiker:innen, Materialwissenschaftler:innen, Computerwissenschaftler:innenund Quantenwissenschaftler:innen.  

Eine wichtige Rolle nimmt außerdem der Aufbau von Schlüsselpartnerschaften mit Partner:innen aus Industrie und akademischer Welt ein. Auch hier können wir von bereits bestehenden Verbindungen profitieren. Mit IBM haben wir uns einen Partner mit hoher Quantencomputing-Expertise für die erste Phase an die Seite geholt. Use Cases zu definieren und zu priorisieren sowie das Auffinden möglicher Finanzierungsquellen sind ebenfalls Aufgaben der ersten Phase.“ 

Stichwort Standort: Welche Rolle spielen Deutschland und Baden-Württemberg (BW) beim Thema Quantencomputing?  

Peter Neske: „Wir bewegen uns in BW in einer Innovationsregion, die führend in ganz Europa ist. Die Landespolitik setzt dabei konsequent auf Quantencomputing, insbesondere in den Themenfeldern Gesundheit, Mobilität und Klimaschutz. Man ist zuversichtlich, dass BW weltweit die Region mit den meisten unterschiedlichen Quantencomputern wird. In diesem Zusammenhang wurde auch die Initiative QuantumBW ins Leben gerufen, unter dieser Dachmarke haben sich globale Player aus Wirtschaft, Universitäten und Forschungseinrichtungen zusammengeschlossen – auch Pfizer Deutschland ist Teil dieses Netzwerks. 

Auch die politische Agenda auf Bundesebene ist darauf ausgerichtet, dass Deutschland im Feld Quantencomputing, Quantentechnologie, Quantensensorik und Quantennetzwerke vorne mit dabei ist. Pfizer Deutschland und der Healthcare Hub wollen hier eine aktive Synapse sein. Wir sind bereit, die Aspekte und Fragestellungen miteinander zu vernetzen und Quantencomputing voranzubringen – für den Purpose des Unternehmens, aber auch darüber hinaus.“ 

 

Danke für das Gespräch! 

 

  1. McKinsey Quantum Technology Monitor 2023: McKinsey Quantum Technology Monitor 2023 | McKinsey & Company 
  2. Quantum Annealing ermöglicht die Bewältigung von Optimierungsaufgaben mit einer signifikanten Steigerung der Parameteranzahl und Geschwindigkeit, was zu einer effizienteren Lösung komplexer Herausforderungen führt. Als Zwischentechnologie trägt Quantum Annealing dazu bei, die Leistungsfähigkeit von Quantencomputing in der Zukunft noch weiter auszuschöpfen und kann als Brücke dienen, um schnelle Erfolge und funktionale Anwendungsfälle mithilfe von Quantentechnologie zu realisieren. 
  3. Die Von-Neumann-Architektur ist ein Referenzmodell für Computer, in dem ein gemeinsamer Speicher Programmbefehle und Daten enthält. Seit den 1940er Jahren ist die Von-Neumann-Architektur das dominierende Konstruktionsprinzip für Computer.
  4. Quantum Computing Is Becoming Business Ready 2023: Preparing Businesses to Implement Quantum Computing | BCG 

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